Crawford Deutsche Version

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Kapitel 2 - Die Begegnung

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ich arbeitete an den Entwürfen für das neue Projekt, um sie bis zu unserem monatlichen Teammeeting fertig zu haben und kam stets pünktlich zum Training, sehr zur Überraschung von Craig.

Wahrscheinlich dachte er, dass ich mir unsere Unterhaltung zu Herzen genommen hatte. Dabei hatte ich einfach nur ruhigere Wochen.

Craig war nichts von unserer Unterhaltung an meiner Wohnungstür anzumerken. Er war normal, wie immer und beachtete mich weder mehr noch weniger als alle anderen, die trainierten.

„Die Anderen warten im Konferenzraum auf die Ergebnisse von dir. Der Boss ist auch da“, flüsterte Andrea mir zu.

„Danke, Andrea“.

Ich atmete tief durch, straffte meine Schulten und machte mich mit der Präsentation auf den Weg.

„Viel Glück!“, rief Andrea mir nach.

Da ich erst seit kurzem Mr. Taylors persönliche Assistenten (PA) war, war ich froh Andrea an meiner Seite zu haben. Sie arbeitete als PA für einen der anderen Senior Partnern, wir teilten uns allerdings ein Vorzimmer, da die Büros unserer beiden Chefs direkt nebeneinander lagen.

Andrea arbeitete hier schon seit mehreren Jahren und kannte bereits alle Gewohnheiten und Abläufe. Sie stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite, was mich schon oft davor bewahrt hatte ins Fettnäpfchen zu treten. 

Mr. Taylor war ein netter und fairer Boss. Der beste, den ich bisher hatte. Er arbeitete hart und erwartete das auch von seinen Mitarbeitern, war aber stets freundlich und höflich. Dies war meine Chance ihm zu zeigen, dass ich meiner Position würdig war.

Selbstbewusst öffnete ich die Tür zum Konferenzraum und marschierte hinein, um Mr. Taylor und allen anderen, die an dem Projekt beteiligt waren, meine Ideen vorzulegen, als sich mir plötzlich alle Nackenhaare aufstellten. Abrupt blieb ich stehen.

An der Stirnseite des Tisches saß nicht, wie gewohnt, Mr. Taylor, sondern ein mir unbekannter, durchaus gutaussehender, Mann, gerade mal 5 Jahre älter als ich würde ich schätzen. Er trug einen sichtlich teureren Anzug als alle anderen hier, sein Haar lag perfekt frisiert und glänzte in einem dunklen braun. Seine Augen, die gerade fest auf mich gerichtet waren, in einem stählernen blau. Es verschlug mir fast den Atem.

Er hatte ein amüsiertes Lächeln auf dem Gesicht, als er meinen Schock bemerkte, welches aber schnell verschwand.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich nun fragend an.

„Ich… ähm..“ stammelte ich nur.

„Schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten Isabella“, riss mich eine mir vertraute Stimme aus meiner Gelähmtheit.

„Es tut mir leid, dass ich Sie nicht eher informieren konnte, aber Mr. Crowford ist leider nicht lange in der Stadt und dieser Termin hat sich kurzfristig in seinem Zeitfenster ergeben.“

Eigentlich hätte unser monatliches Meeting erst nächste Woche stattgefunden, aber Mr. Taylor hat es kurzfristig vorverlegt. Er deutete auf den Mann im teuren Anzug, der mich nun zunehmend genervt ansah.

Moment mal, Crawford? Der Crawford von Crawford Enterprises? Der Firma, für die ich arbeite? Ich sollte wohl wissen, wer er ist, wenn ich ihn sehe. Ohje…

Mein Herz rutschte mir mitsamt meines so mühevoll aufgebauten Selbstbewusstseins in die Magengrube.

„Haben Sie den Entwurf für das neue Marketingkonzept des neuen Hotels fertig?“ fragte Taylor.

„Ähm, ja“, stammelte ich sichtlich verwirrt und stand wie angewurzelt an derselben Stelle, unfähig mich zu bewegen.

„Gut, dann legen Sie los“, sagte er und deutete auf den freien Platz am Tisch.

Ich? Jetzt? Hier? Nervös rutschte ich auf meinem Stuhl umher, nicht sicher, wie ich beginnen sollte. Entweder würden meine Umstrukturierungspläne einschlagen oder eben nicht. Hätte ich dann noch meinen Job, wenn ich es vor den Augen des CEO versaute? Mein ganzes Leben lang hatte ich nur hart gearbeitet, um dort zu sein, wo ich jetzt war. Ich hatte keine Freunde, denn dafür hatte ich keine Zeit, bin nie aus der Reihe getanzt und beim Thema Männer… ich denke es bedarf keiner weiteren Erklärung. Ich war unsichtbar, bis jetzt. Alle Augen waren auf mich gerichtet.

Mr. Crawford lehnte sich lässig in seinen Stuhl zurück und sah mich neugierig an.

Mr. Taylor nickte mir ermutigend mit einem Lächeln zu.

Ich straffte die Schultern, räusperte mich, noch sichtlich nervös von der Anwesenheit des CEOs, holte tief Luft und legte los...

Je länger ich redete und mich in meiner Arbeit verlor, desto entspannter und selbstsicherer wurde ich.

Meine Selbstsicherheit verflog jedoch schnell, als ich fertig war und alle Augen, ohne jegliche Spur von Emotionen, auf mich gerichtet waren. Ich wartete auf die vernichtende Reaktion.

Ohne auch nur in seine Richtung zu sehen, spürte ich Crawfords Blick auf mir und eine stärkere Spannung, die schwer in der Luft lag. Ich wollte nichts mehr als wieder unsichtbar zu sein.  

„Und wie lief es?“, fragte Andrea mit nicht mehr als ein Flüstern.

Sie schien vor Neugierde zu platzen. Ich lehnte mich vor:

„Wusstest du, dass der CEO am Meeting teilgenommen hat?“

„Mr. Crawford? Du machst Witze! Den hat noch nie jemand hier gesehen.“

Andrea klappte regelrecht die Kinnlade herunter.

„Tja, jetzt wohl schon.“, gab ich mit einem Seufzen zurück.

„Und, wie ist er so? Man hört allerhand Geschichten über ihn.“, hakte Andrea nach.

„Ach ja? Welche denn?“, fragte ich nur halb interessiert.

„Nunja, er zeigt nie Emotionen, seine Worte: hart und kalt….“

Ja, das passte so in etwa zu ihm.

„Und er soll mega sexy sein“, riss Andrea mich mit einem schiefen Lächeln und erhobener Augenbraue aus meinen Gedanken, als würde sie mir eine Frage stellen.

„Keine Ahnung“, sagte ich mit einem Schultern zucken, während ich meine Unterlagen weiter sortierte.

Ich spürte ihren Blick noch immer auf mir.

„Weißt du, ich musste mich darauf konzentrieren eine Präsentation abzuliefern, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie halten muss und dann auch noch vor dem CEO dieser Firma! Ich habe mir beinahe in die Hosen gemacht!“

Andra konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Ach komm schon Isabella, bleib locker. Ich wette du hast das super gemeistert. Aber du willst mir doch nicht erzählen, dass du mit dem Typen in einem Raum warst und dich nicht von ihm angezogen gefühlt hast?“

„ANDREA!“, tadelte ich sie und rollte mit den Augen.

Ich mochte Andrea wirklich sehr. Sie war eine riesen Hilfe und kannte hier wirklich jeden, was mir des Öfteren den einen oder anderen Vorteil verschaffte. Aber ihr grenzenloser Drang sich in mein, nicht vorhandenes, Liebesleben einzumischen war manchmal schwer zu ertragen.

„Mir wäre es lieber, wenn wir uns jetzt auf die Arbeit konzentrieren, Andrea. Ich brauche diesen Job und wie du weißt sind genug Augen auf mich gerichtet, die nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache.“

Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und öffnete meine Emails, um nachzusehen, ob es schon eine Reaktion bezüglich des Meetings gab. Ich seufzte und vergrub meinen Kopf in den Händen.

Nichts.

Andrea gab mir einen mitfühlenden Blick, ala das wird schon wieder.

Als es Mittag war, machte ich mich auf den Weg, um mir etwas zu Essen zu holen, als plötzlich mein Handy klingelte. Mr. Taylor. Ohje.. Zitternd nahm ich ab.

„Isabella, bitte kommen Sie sofort in mein Büro!“

Mr, Taylors Stimme klang angespannt. Mit zitternden Beinen betrat ich sein Büro, sicher, dass ich es vermasselt hatte. Mr. Taylor stand mit dem Rücken zu mir gewandt am Fenster und blickte hinaus auf die Stadt.

„Schließen Sie die Tür.“

Oh nein, jetzt kommt der Teil, vor dem ich mich fürchtete.

„Miss Hunt, ich mache das wirklich ungern, denn ich weiß Sie sind noch nicht lange hier…“

„Bitte Mr. Taylor“ fiel ich ihm ins Wort „Ich habe immer hart gearbeitet, Überstunden gemacht, wann immer Sie es verlangt haben und habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen. Ich, ich wusste nicht, dass ich die Präsentation halten sollte.“, setzte ich leise aber bestimmt nach, komplett im Verteidigungsmechanismus, bereit um meinen Job zu betteln, wenn nötig.

Ich wollte nicht kampflos untergehen.

Seine Stirn in Falten gelegt, wirbelte er herum und starrte mich an.

„Wovon zum Teufel reden Sie?“

Verwirrung und Ärger schwangen in seiner Stimme mit.

"Ich... ähm..."

„Mr. Crawford möchte, dass ich ein weiteres Projekt mit hoher Dringlichkeit fertig stelle. Ich werde permanent daran arbeiten und auch verreisen müssen, um eine fristgerechte Fertigstellung sichern zu können.", fuhr er fort.

"Sie haben bisher sehr gute Arbeit geleistet, Isabella. Ihre Präsentation heute war exzellent, obwohl sie kurzfristig auf dem Tagesplan stand. Daher bin ich mit Mr. Crawford übereingekommen, dass Sie von jetzt an dieses Projekt leiten und fertigstellen werden. Sie können sich ein Team aus den Mitarbeitern zusammenstellen, wie Sie es für richtig halten oder Sie lassen alles weiter so laufen.“

Mir fiel die Kinnlade herunter.

Ich soll dieses Projekt leiten? Ich dachte, ich würde hier und jetzt gefeuert, statt befördert werden. Meine Augen weiteten sich, ich erstarrte.

„Was sagen Sie dazu Isabella? Ich kann es verstehen, wenn Sie ablehnen. Es ist viel extra Arbeit. Aber ich hoffe, dass Sie ja sagen. Ich wüsste niemand anderen hier, dem ich die Leitung des Projektes anvertrauen würde. Niemand sonst hat sich schon so viel damit auseinandergesetzt, wie Sie.“

„Ich, ich… ähm…“ stotterte ich nur.

„Danke?“ entkam es mir mehr als eine Frage anstatt einer Antwort.

„Super! Dann wäre das ja geklärt.“, klatschte Mr. Taylor in die Hände.

Sein Gesicht erhellte sich sofort und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Natürlich bekommen Sie eine Gehaltserhöhung für die Dauer dieses Projekts. Die Formalitäten werden von der Personalabteilung fertig gestellt und Sie bekommen dann eine Ergänzung zu Ihrem bisherigen Vertrag zur Unterschrift vorgelegt. Keine Sorge Isabella, ich lasse Sie nicht ganz allein mit dem Projekt. Mr. Crawford wird ab nächster Woche hier verweilen und Sie bei Fragen unterstützen. Sie werden Ihm Ihre Arbeitsergebnisse vorlegen und mit ihm besprechen.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich einfach direkt an Mr. Crawford.“

Jetzt wich jegliche Farbe aus meinem Gesicht. ICH soll mit dem CEO persönlich zusammenarbeiten?

Ohje… ich kriege jetzt schon kaum ein Wort raus. Das wird mein Untergang.

„Wenn Sie erst einmal keine weiteren Fragen haben, Isabella, dann dürfen Sie gehen. Ich will Sie nicht länger von Ihrer Mittagspause abhalten. Andrea wird in Zukunft Ihre bisherigen Aufgaben für mich übernehmen. Sie können sich also ganz auf das Projekt konzentrieren.“

Mit einem kurzen Nicken machte ich kehrt und verlies Mr. Taylors Büro, immer noch unter Schock stehend. Das musste ich erst einmal verarbeiten. Als ich zu meinem Schreibtisch zurückkehrte sprang Andrea sofort auf, als sie mein kreidebleiches Gesicht sah. Sie rannte auf mich zu und fragte:

„Isabella, was ist passiert? Wurdest du gefeuert? Wieso soll ich von nun an deine Aufgaben übernehmen? Hallo? Isabella?“

Sie schüttelte mich an den Armen, um mich aus meiner Schockstarre wieder herauszuholen.

„ISABELLA!!!!“

„Ich, ich soll das Projekt leiten.“, brachte ich mit nicht mehr als ein Flüstern herraus, aber Andrea konnte mich hören.

„WAS?“, brüllte Sie mir fast entgegen.

„Das ist ja super! Ich gratuliere dir!“, schrie sie nun mehr euphorisch in mein Ohr und riss mich in eine enge Umarmung.

„Ich habe dir doch gesagt, du wirst das rocken. Das muss gefeiert werden. Heute Abend und keine Widerrede!“ Zur Bekräftigung hielt sie ihre Hand hoch.

Ich wusste Wiederstand ist zwecklos. Ich nickte nur.

„Super!“ sie hüpfte vor Freude auf und ab.

Ich bin in dieser Stadt noch nie ausgegangen. Zugegeben noch nie zuvor. Das heißt, wenn man Take away abholen nicht mitzählt. Seit ich diesen Job hatte änderte sich mein Leben rasant. Warum also nicht einmal etwas Neues ausprobieren?

Den Rest des Tages verbrachte ich damit Papierkram für Mr. Taylor fertigzustellen und Andrea über alles zu updaten.

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