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Müde schaue ich von meinem Bildschirm auf und lehne mich zurück. Offiziell hatte ich vor zwei Stunden Feierabend, aber was soll ich schon zu Hause, da würde auch nicht mehr als ein leeres Ehebett auf mich warten, dass mich immer wieder darin erinnert, wie sehr Theodor und ich uns seit unserer Hochzeit vor sechs Jahren voneinander entfernt haben. Ich will nicht behaupten, dass ich daran unschuldig wäre, denn immerhin wusste ich, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem mein Mann das Bauunternehmen seines Vaters übernehmen würde, aber wie sehr ich unter seinen ständigen Geschäftsreisen leiden würde, konnte ich nicht ahnen. Mit der Zeit habe auch ich mich mehr und mehr auf die Arbeit konzentriert und mir Freunde gesucht, die ich nicht nur bei einem Pärchenabend zu Gesicht bekomme.
Das Vibrieren meines Handys reißt mich aus meinen trüben Gedanken. Langsam richte ich mich in meinem Stuhl wieder auf und entsperre das Display, mithilfe der Gesichtserkennung. Mit einem kleinen Lächeln lese ich die Nachricht meiner besten Freundin:
Emilia: Krieg deinen Arsch aus dem Bürostuhl und schmeiß dich in etwas unbequemes aber verdammt heißes. Wir gehen heute aus. Bin in einer Stunde bei dir <3
Ich weiß echt nicht, was ich ohne diese Frau machen würde. Vor drei Jahren ist sie von einem anderen Standort unserer Firma hierher versetzt worden und so Teil meines Teams geworden. Seitdem schleppt sie mich regelmäßig in alle möglichen Clubs und Bars. Sie genießt das Singleleben wie keine zweite. Schnell schalte ich meinen PC aus und schnappe mir meine Handtasche und betrete den Fahrstuhl, der mich in die Tiefgarage bringt.
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Stirnrunzelnd betrachte ich mich im Spiegel. Ich habe mich für ein goldweißes Kleid entschieden das mir noch nicht mal bis zu den Knien geht und mit dem gewellten Ausschnitt mein Dekolleté gut in Szene setzt. Als ich die Klingel höre, laufe ich schnell nach unten um Emilia reinzulassen. Bewundern betrachte ich sie in dem schwarzen Minirock und dem kurzen rosafarben Top. Ihre langen braunen Haare hat sie über ihre Schulten gelegt, wodurch der Blick unweigerlich auf ihre Brüste gelenkt wird. Wirklich clever. Sie weiß, wie man die Männer um den Finger wickelt, wenn auch nur für eine Nacht. Bevor ich sie hereinbitten kann, hat sie sich schon an mir vorbei gedrängt und die beiden Tequila Flaschen, die sie mitgebracht hat, auf den Küchentisch abgestellt. „Du hast ja heute was vor” sage ich grinsend und nicke in Richtung des Alkohols, den sie bereits in zwei Shotgläser füllt. „Heute ist Freitag, also liegen zwei Tage vor uns, die nur dem Vergnügen dienen” ist ihr einziger Kommentar dazu. „Und während du dich schon nach zehn Minuten in den Armen irgendeines Armen Schweins wiederfinden wirst, darf ich an der Bar sitzen und mich allein besaufen” sage ich gespielt schmollend. Emilia verzieht das Gesicht „für dich werden wir auch schon jemanden finden.” Lachend hebe ich meine rechte Hand hoch und deute auch meinen Ehering. Sie weiß, was ich damit sagen will, denn auch wenn es zwischen Theo und mir nicht rundläuft, fühle ich mich ihm verpflichtet und kann das Versprechen, dass wir uns gegeben haben, nicht ignorieren. Aber Ehe hin oder her, heute Abend will ich Spaß haben, also nehme ich mir eine Zitronenscheibe, streue etwas Salz auf meinen Handrücken und stoße mit der Frau vor mir an, ehe wir uns die Shots in den Mund kippen. Einige Runden später, verschwinde ich, um mein Aussehen zu überprüfen, als Emilias Handy klingelt. „Der Uber ist da!! Zieh dir deine Schuhe an und komm endlich aus dem Bad, besser wird dein Makeup heute nicht mehr” ruft sie mir zu. Lachend komme ich aus der Tür „Du mich auch” sage ich und setze mich, um mir meine Riemchen Stilettos anzuziehen.
20 Minuten später betreten wir unseren Lieblingsclub. Drinnen ist es schon gerammelt voll, doch irgendwie schaffen wir es uns bis zur Bar vorzuschieben. „Ladys, was darfs denn heut sein?” frag uns Lug, der sich zu uns über die Theke beugt, um uns zu begrüßen. „Ich nehme einen Cubra Libre und Em nimmt wie immer zum Einstieg einen Mojito.” Lug guckt kurz zu meiner Freundin rüber, die schon amüsiert die anwesenden Kerle abcheckt, ehe wir beide anfangen zu lachen. Tja diese Frau ist eben einmalig. Nachdem wir die Gläser in den Händen halten, drehe auch ich mich von der Bar weg und betrachte die Menge. Einige Tanzen schon ausgelassen, während andere noch auf den Sofas in den Ecken sitzen und sich gute Stimmung antrinken. Em beugt sich zu mir und ruft gegen die Musik an „Lass uns tanzen gehen, der Typ in dem weißen T-Shirt und dem Pferdeschwanz gefällt mir.” Genervt verdrehe ich die Augen, lass mich aber von ihr in seine Richtung ziehen, wo er bereits mit einigen Freunden tanzt. Was jetzt passiert weiß ich ganz genau, dafür war ich schon zu oft teil ihrer Taktik. Also beginnen wir, wie immer, uns enger als unbedingt nötig zu der Musik zu bewegen, dabei berührt Emilia ihren Auserwählten wie zufällig, so dass dieser sich zu uns umdreht. Und natürlich tut er genau das, was alle Männer tun, wenn sie zwei Frauen in knappen Kleidern eng miteinander tanzen sehen. Sie gaffen. Sie sind einfach leicht zu durchschauen. Aber mir soll es recht sein, je schneller er anbeißt, desto kürzer muss ich dieses Theater mit machen. Wie immer verlasse ich allein die Tanzfläche, damit er an meiner statt mit der braunhaarigen Schönheit tanzen kann. Langsam lasse ich mich auf einen Hocker an der Bar fallen und beobachte die beiden. Kein Wunder, dass die Männer von ihr hingerissen sind, allein wie sie ihre Hüften bewegt, lässt so manchen schwindelig werden. Von hinten beugt sich Lug zu mir und ruft „Scheinbar haben wir heute Abend ja eine gute Auswahl hier” und deutet in Richtung der Stelle, an der ich eben noch selber getanzt habe. „Der Arme Kerl weiß gar nicht wie ihm geschieht” gebe ich lachend zurück. „Ich gebe denen noch zehn Minuten bis sie in irgendeiner dunklen Ecke verschwinden.” Ja vermutlich wird das so sein. „Kannst du mir noch einen Cocktail bringen? Und stell auch noch zwei Shots mit hier her. Die Aufreißerin hat nachher bestimmt Durst” sage ich lachend. Lug nickt bloß. Auch wenn er sich immer als Kumpel gibt und über die Freigiebigkeit meiner Freundin lacht, habe ich schon länger das Gefühl, dass er sich in sie verknallt hat. Die Nettesten suchen sich meistens die falschen Frauen aus. Ich habe sie wirklich lieb, aber Em ist weder feinfüllig bei Männern noch für eine feste Beziehung gemacht. Besser wäre es für ihn, wenn er sich von ihr freimachen könnte, bevor er sich jedes Wochenende das Herz rausreißen lässt.
Lug scheint recht zu behalten. Nach weniger als zehn Minuten kann ich meine Freundin nicht mehr finden. Eine halbe Stunde später sehe ich sie vom Hinterausgang auf mich zu kommen, während sie sich geschickt die Haare und den Rock richtet. „Jetzt gehöre ich ganz dir” sagt sie, als sie sich neben mir auf den Stuhl fallen lässt. Sofort greift sie nach einem Shot und hält mir den anderen hin. „Das will ich sehen” antworte ich schmunzelnd und trinke das Glas leer.
Viele Drinks und gefühlte Stunden auf der Tanzfläche später, gebe ich Emilia ein Zeichen, dass ich kurz an die frische Luft gehe. Als ich die Tür nach draußen öffne atme ich tief die frische und kühle Nachtluft ein. Mir ist ein bisschen schwindelig und die Musik dröhnt mir noch in den Ohren. Gegen die Wand des Clubs gelehnt hole ich mein Handy raus und sehe das Theo mir vor zwei Stunden geschrieben hat. Seufzend öffne ich die Nachricht.
Theo: Hey mein Engel, ich bin in Boston im Hotel angekommen und gehe direkt schlafen, ich bin am Sonntag wieder zurück. Vermutlich bist du mit Emilia aus. Macht euch eine schöne Nacht. Ich melde mich morgen wieder.
Also wieder ein halbes Wochenende allein und unter der Woche haben wir beide auch ständig auf der Arbeit zu tun, sodass wir kaum noch Momente nur für uns haben. Wieder einmal werde ich mir darüber bewusst, wie sehr mir die Zweisamkeit mit ihm fehlt. Früher haben wir jede freie Minute miteinander verbracht und stundenlang zusammen auf dem Sofa gelegen. Bei dieser Erinnerung zieht sich plötzlich alles in mir zusammen und ich übergebe mich in den Kasten der Palme, die neben der Eingangstür steht. Dumpf nehme ich eilige Schritte wahr und ein fester Griff legt sich um meine Hüfte, damit meine Beine nicht nachgeben. Auch meine Haare werden mir aus dem Gesicht gestrichen.