Montag
„Hi, Mira". Ich schaute von meinem Monitor hoch und sah den stellvertretenden Chefredakteur vor meinem Schreibtisch stehen. Ein etwas schmieriger Typ um die 50 im billig schimmernder Anzug, der immer so suffisant grinst, wenn er mich, die junge Volontärin, sieht. Ich mußte mir einen Ruck geben, um zu lächeln. „Ja?" „Wir machen eine Reportage über das Rotlichtmillieu und brauchen ein Interview und eine Reportage über einen Callboy. Das sollst Du übernehmen. Den Part mit der Hure übernimmt Martin." Ich war erstmal perplex, versuchte professionell zu sein und schaltete um auf einen neutralen Gesichtsausdruck. War klar, das Martin mitmischte, das passt zu ihm. Er winkte mir vom anderen Ende des Großraumbüros zu. „Machen Sie einen ausfindig. Sie kriegen das hin. Wir brauchen etwas über seine Kundschaft, seinen Werdegang, Vita, schmutzige Details, sie wissen schon..." sagt der Vize noch und wendete sich bereits ab. „Und wenn er Geld will?" rief ich ihm hinterher. „Dann lassen sie sich das in der Buchhaltung erstatten, wo ist das Problem?" So langsam gingen mir all die Implikationen dieses Jobs durch den Kopf und sah mich gerade in der Buchhaltung mit der Rechnung eines Callboys stehen. Ist das demütigend? Er zögerte einen Moment und drehte sich wieder um und sprach mit gesenkter Stimme „Kommen sie mit der Rechnung zu mir, ich regel das dann." Auf jeden Fall musste ich mit meinem Freund reden. Die Woche fängt ja gut an.
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Mein Freund lachte, als er die Story hörte. Er hat auch keinen Grund eifersüchtig zu sein, aber die Sache war mir zu heiß, als sie vor ihm zu verheimlichen. Wir waren seit vier Jahren zusammen und seit einem Jahr verlobt, hatten keine Geheimnisse, meine Mutter liebte ihn abgöttisch, eigentlich war alles super und wir planten schon unser künftiges Haus. Diesen Traummann wollte ich eines Tages heiraten. Er hatte studiert, arbeitete in leitender Position, war 8 Jahre älter als ich und hatte schon sehr genaue Vorstellungen von unserer Zukunft. Um genau zu sein, von seiner Zukunft, manchmal ging es mir dann doch etwas zu schnell.
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Eine warme und gleichzeitig tiefe männliche Stimme begrüßt mich in der Leitung, die sich als Jon vorstellt, ein ziemlich einfallsloser Künstlername. Sie konnte einen so richtig einlullen, aber wir kamen dann doch schnell zur Sache. Wie ich vermutet hatte, war er gern zu einem Interview bereit, bestand aber darauf, die Fotos zu verpixeln. Und sein Stundensatz sollte 350,- betragen. Wir einigten uns auf den ersten Termin gleich am morgigen Tag. Am Abend erzählte ich meinem Freund davon, aber seine Reaktion machte mich nachdenklich. „350,- pro Stunde ist aber ganz schön viel. Das kenne ich aber billiger." Er unterbrach sich selbst und murmelte was von 'hätte er von Kollegen gehört'. Aber sein Blick wich mir aus und das machte mich zum ersten Mal unsicher.