Nur ein Kratzer

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Summary

Wolf/Shifter/Dark Fantasy/Urban Fantasy "Zeige einem Wolf nie, wie sehr du dich vor ihm fürchtest, aber lass ihn auch nicht wissen, wie viel Angst er vor dir haben sollte," wiederholte ich das Mantra meines Vaters verbissen, der mich seit frühester Kindheit zur Jägerin ausbildete, bevor er mich auf meine erste Vollmondjagd mitnahm, bis ich selbst die Beute wurde, in mehr als einer Hinsicht. Nun stehe ich zwischen zwei Welten und gehöre zu keiner davon. Wer bin ich? Warum sind sie hinter mir her? Verdammt, ich will kein Monster sein. Ich suche nach Antworten, hoffentlich finde ich sie, bevor ich gefunden werde . . .

Genre:
Fantasy / Other
Author:
Author NChaine 🪶
Status:
Ongoing
Chapters:
25
Rating:
4.6 8 reviews
Age Rating:
18+

Wurzeln


Der Mond stand in dieser Nacht voll am Himmel.

Jagdzeit für meinen Vater.

Ich war endlich sechzehn, alt genug also, um ihn auf seinen bevorstehenden Vollmondausflug zu begleiten. Das war ein Privileg, welches ich mir hart erkämpft hatte.

Unsere Hütte lag ein gutes Stück außerhalb der nächsten Siedlung, weil wir eine Familie von Jägern waren, weil wir eine Tradition hatten. Das läge in unserem Blut, betonte mein Vater immer wieder.

Hauptsächlich aber, weil wir dort verborgen, vergessen und von Technik unabhängig leben konnten. Eine geeignete Umgebung für meinen Vater, dem nachzugehen, was er über Jahre perfektioniert hatte.

Es gab einen Spruch, den er mir eintrichterte, seit ich mich erinnern konnte, und auch an diesem Abend sah er mich prüfend an. Er wollte ihn aus meinem Mund und laut ausgesprochen hören.

"Zeige einem Wolf nie, wie sehr du dich vor ihm fürchtest, aber lass ihn auch nicht wissen, wie viel Angst er vor dir haben sollte", wiederholte ich sein Mantra verbissen und ohne den Blick abzuwenden. Ein Feind, der seinen Gegner unterschätzte, würde bald seinen letzten Fehler machen.

Warum er explizit den Begriff Wolf benutzte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Ich dachte damals, dass es stellvertretend für alle Raubtiere der Wildnis steht.

Seit ich laufen konnte, trainierte mich mein Vater. Es war ihm wichtig, dass ein Jäger sowohl körperlich als auch geistig agil war.

Sein Geschick mit Pfeil und Bogen beeindruckte mich. Er konnte wirklich mit jeder Waffe umgehen und unterrichtete mich in ihrer effizienten Handhabung und auch im Kampf ohne Waffe. Nicht immer konnte man auf den Luxus eines Bogens oder eines Dolches zurückgreifen.

Er machte es sich zur Aufgabe, meinen zerbrechlich anmutenden Körper zu stählen und meinen jungen Geist zu formen. Ich sollte in der Lage sein, jedes Wildtier zu jagen und zu töten, einschließlich der außergewöhnlich großen Wölfe, die in den Bergen um uns herum immer wieder gesichtet wurden.

Eine Schule besuchte ich nie. Mich aus Fesseln zu befreien und Fallen zu stellen, war mein Unterricht am Abend und zudem teils in der Nacht. Je eher ich lernte, auch ohne Licht der Wildnis zu begegnen, desto fähiger sei ich später als Jägerin, bekräftigte er stets.

Tagsüber unterwies mich meine Mutter in Biologie, Chemie und Medizin. Bücher waren reichlich vorhanden.

Sie lehrte mich die Herstellung von Giften und Tränken, sowie die Grundlagen der Anatomie von Tieren und der Heilkunst aller Lebewesen, die mich aber nur insofern interessierte, als sie mich selbst am Leben erhalten konnten.

Ich teilte ihre lebensbejahende Begeisterung dafür nicht in dem gleichen Maß wie sie, doch ein wirkungsvoller Angriff setzt eine genaue Kenntnis der Physiologie voraus, machte mich zielsicher, tödlicher.

Ich war neun Jahre alt, als ich erfolgreich mein erstes Gift herstellte, mit dem mein Vater die Pfeile für seine Jagd einstrich. Anerkennend schenkte mir meine Mutter ihre feine Kette aus Gold, daran hing ein weißer Stein, der im Mondlicht in den unterschiedlichsten Farbtönen seltsam schillerte, weshalb er Mondstein genannt wurde.

Sie bestand darauf, dass ich den Schmuck von da an nicht mehr abnehmen sollte, erklärte mir aber nicht warum.

Vor jeder Jagd zum vollen Mond brachten wir Artemis* ein Opfer dar. Am Waldrand hatten wir als Altar für die Göttin der Jagd einen ausgehöhlten Baumstumpf auserkoren.

Ihr zu Ehren schnitzte jeder, der an der Jagd teilnehmen wollte, eine kleine Figur aus Holz und beträufelte es mit wenigen Tropfen seines Blutes.

Gejagt wurde auf traditionelle Art ohne Revolver oder Pistolen.

Es gab eine Schusswaffe im Haus, ein großkalibriges Gewehr, doch für die Jagd benutzte er vorzugsweise geräuscharme Methoden. Wir trafen die letzten Vorbereitungen an diesem schicksalhaften Tag im letzten Licht der Dämmerung.

Mein Vater bepinselte die Pfeilspitzen mit dem eigens dafür hergestellten Gift und bestückte seinen Gürteln mit den glänzenden Dolchen aus Silber, die ich noch nicht benutzen durfte.

Mein eigener Dolch war aus speziell geschmiedetem Bronze gefertigt. Ein Familienerbstück und sehr alt, doch konnte ich meinen begehrlichen Blick nicht von den besonders aufwendig verzierten und blank polierten Waffen nehmen, die nun an seiner Taille hingen.

Unsere langen Umhänge oder Jacken wären auf der Jagd hinderlich gewesen, also legte ich nur den Gugelumhang** an, nachdem ich meine braune, wellige Mähne mit einem Lederband gezähmt hatte.

Meine Mutter hatte mich zu Hause behalten wollen, doch mein Vater versicherte ihr, ich wäre bereit und bestand darauf, dass ich ihn begleitete. Er erklärte, dass ich nun alt genug sei und er mich einer Prüfung unterziehen müsse.

Ihm zu widersprechen, bewirkte nichts. Gehorsam war keine Option bei ihm, sondern eine Grundvoraussetzung. Was er beschloss, war immer Gesetz.

Verzweifelt blickte sie uns beiden hinterher, als wir kurz vor der Geisterstunde die Hütte verließen und uns auf den schmalen Pfad in den Wald begaben. Würde alles planmäßig verlaufen, dann wären wir mit Ablauf der Stunde des Wolfes*** zurück.

Beinahe lautlos bewegten wir uns durch das Unterholz. Wir verständigten uns mit Gesten, wo Spuren zu lesen waren und welchen Weg wir einschlagen würden. Er hob die Hand und signalisierte mir, dass die Wölfe in dieser Richtung ihre Abdrücke hinterlassen hatten.

An der linken Hand streckte er drei Finger nach oben, was bedeutete drei Wölfe zu dieser Seite. Dann folgte ein Wink mit flacher Hand nach rechts, wo also mit keinem dieser rücksichtslosen Biester zu rechnen war.

Ich hielt die Luft an und lauschte mit wummerndem Herzen in die Stille des Waldes. Nicht ein Geräusch drang an mein Ohr. Erwartungsvolle Vorfreude durchströmte mich und ließ meine Finger kribbeln, weil ich mich natürlich vor meinem Vater beweisen wollte.

Plötzlich flog über uns ein Raubvogel auf und angespannt wie ich war, schaute ich in die Baumkrone hinauf, ob der Vogel eine erste Beute werden würde. Die Kapuze rutschte mir dabei vom Schopf. Das Mondlicht legte sich auf mein Gesicht und ich erstarrte, als mein Blick den Himmelskörper erfasste.

Genau in dem Moment veränderte sich mein Leben für immer. Das kalte Licht des Mondes durchdrang meine Haut, fuhr mir ins Gebein und umklammerte meine Eingeweide mit eiskaltem Griff.

Als würde ein Orkan in mir entfesselt, tobten meine Sinne. Plötzlich spielte alles in mir verrückt. Eine Flut an Eindrücken und Empfindungen drohte mich niederzuringen.

Gerüche, Geräusche, selbst die Grautöne wurden intensiver und klarer für mich.

Schweiß rann mir am ganzen Körper herunter. Mir wurde so übel, dass ich kaum atmen konnte, weil ich krampfhaft versuchte, meine Innereien bei mir zu behalten, die alles daran zu setzen schienen, sich nach außen zu stülpen.

Erbost wandte sich mein Vater zu mir und sah, in welchem erbärmlichen Zustand ich mit einem Mal war. Er runzelte die Stirn und sein Blick verhärtete sich innerhalb eines Augenblicks.

Mit entschlossenen, schnellen Schritten kam er auf mich zu, fasste mich fest im Nacken und achtete jetzt nicht mehr auf die Geräusche, die er verursachte, die so gellend laut in meinen Ohren hallten, dass es kaum zu ertragen war.

In seinem erbarmungslosen Griff zerrte er mich mit sich zurück in Richtung unserer Hütte. Die Jagd war vorbei, ohne dass sie richtig angefangen hatte. Wir waren kaum eine Stunde unterwegs gewesen.

Mein Magen zog sich schmerzhaft in Wellen zusammen und wollte dringend loswerden, was er noch in sich hatte. Ein paar Mal würgte ich, riss mich aber angesichts der unerbittlichen und mitleidlosen Miene meines Vaters zusammen. Jetzt lag auch brennender Hass in seinen verkniffenen Augen. Er musste furchtbar enttäuscht von mir sein.

Mein verzweifeltes, völlig verängstigtes Herz geriet aus dem Takt und stolperte immer wieder in meiner Brust. Eine Art Fieber fraß sich durch meinen ganzen Körper. Hektisch sog ich die Luft durch meine Nase ein, da ich immer noch mit der Übelkeit zu kämpfen hatte.

Wie mit heißen Krallen fuhr mir eine unsichtbare Tatze über die Haut und entzündete tausend kleine Feuer auf ihr. Am liebsten hätte ich mir die viel zu engen Kleider von meinem überhitzten Leib gerissen.

Hilflos und kaum Herr über meinen lächerlich schwachen Körper versuchte ich, mit meinem Vater Schritt zu halten. Doch er achtete nicht auf mich, weigerte sich, mich anzusehen und sprach kein einziges Wort.

Mein schweres Keuchen und Husten musste meine Mutter schon aus einiger Entfernung gehört haben, denn sie kam aus der Hütte auf uns zugelaufen.

Doch noch bevor sie mich erreichen konnte, packte mein Vater sie grob am Hals und schrie sie voller Wut an, während er mich einfach zur Seite schleuderte und ich auf der Erde zitternd zusammensackte.

"Was. Hast. Du. Getan?"

Ihre Lippen bewegten sich, sie wollte ihm etwas erwidern, doch er versagte ihr den Atem. Seine Hand presste das Leben aus ihr heraus. Sie kämpfte erbittert und krallte sich ergebnislos in seinen Arm und der fleischigen Manschette um ihren Hals.

Sein Zorn strahlte förmlich aus ihm heraus, solche Intensität hatte ich nie zuvor wahrgenommen. Es war ungefilterte Abscheu, die er auf meine Mutter lenkte.

"Ich habe dir vertraut, Elani. Ich habe dich aufgenommen und du jubelst mir ein fremdes Balg unter? Du weißt nicht, was ich jage? Dann will ich es dir zeigen", spuckte er ihr angewidert entgegen.

Sein Blick erfasste mich und er stieß meine Mutter von sich, sie fiel sehr unsanft auf den Boden, rappelte sich rasch wieder auf und stürzte sich im nächsten Moment auf meinen Vater, der an mich herangetreten war und angewidert auf mich hinabblickte.

Was zur Hölle ist hier los?

Die seltsame Krankheit, die mich so völlig und eilends eingenommen hatte, beruhigte sich abrupt und ich sah, wie mein Vater meiner Mutter abermals die Luft abdrückte. Ihre Hand versuchte mich zu erreichen, doch ich konnte nichts tun, war ich doch selbst noch benommen und er gestattete ihr keine Gnadenfrist mehr.

Die Laute der Umgebung kehrten mit voller Wucht zurück und ich wünschte mir im selben Augenblick, sie täten es nicht. Das Gurgeln und die erstickten Töne aus der Kehle meiner Mutter erstarben, die den Mord an ihr begleiteten.

Verächtlich verzog er die Lippen und drehte sich dann zu mir. Mit zwei großen Schritten war er bei mir und ragte über mir auf. Er hockte sich vor mich hin. Dann zog er einen seiner Dolche und fuhr in einer schneller, scharfen Bewegung über die Haut an meinem Arm. Es zischte eigenartig und brannte wie glühendes Eisen.

Ruckartig wich ich zurück, während sich die frostige Erkenntnis in meinen Verstand schlich. Die Reaktion auf das Silber!

Ich bin ein Wandler.

Ich bin, was er jagt.

Ich bin sein Feind, nicht irgendein Tier.

Die Legenden sind alle wahr. Um ehrlich zu sein, war das in meinem Kopf immer jenseits jeder Möglichkeit gewesen, doch meine Haut reagierte verflucht nochmal auf Silber!

Für die Dauer eines Wimpernschlags erkannte ich den Widerstreit in ihm. Ich war immer noch sein Kind, irgendwie jedenfalls.

Der trauernde Ausdruck in seinen Augen wich hartherziger Kälte.

Dann hob er den Dolch.

Und mir blieb keine Wahl.




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